Beim diesjährigen NRW-Theatertreffen in Münster ist „Schuld und Sühne“ nach Fjodor Dostojewski in der Regie von Bert Zander zur besten Inszenierung gewählt worden. Zander eröffne dem Theater einen Raum, der ihm sonst verschlossen war, urteilt Laudator Sascha Westphal.
In der Laudatio heißt es weiter: „Die Kategorien gehen durcheinander, die Formen vermischen sich. ,Eine theatrale Filminstallation' nennt Bert Zander im Untertitel seine am Theater Oberhausen entstandene Adaption von Fjodor Dostojewskis Roman ,Schuld und Sühne'. Damit ist der ästhetische, der künstlerische Raum zwischen Bühne und Museum, Film und Schauspiel abgesteckt. Auf vier zu einem Quadrat angeordneten Leinwänden läuft ein dreistündiger Film ab."
Die Neuerfindung des Monodramas
Sascha Westphal führt weiter aus: „Der, um den sich alles dreht, existiert außerhalb der Bilder. Christian Bayer spielt diesen Raskolnikow. Ein ruheloser Mensch, gehetzt und bedrängt, geht er zwischen dem Publikum auf und ab wie ein Raubtier im Käfig. Jede Bewegung Bayers zeugt von der Anstrengung Raskolnikows, die Kontrolle über die Welt zu behalten. Dabei ist er längst ein Gefangener seiner Gefühle und Visionen. Es gibt kein Entrinnen, nicht für diesen Mörder aus Hochmut, nicht für Christian Bayer, dem die Bilder auf der Leinwand zum Metronom werden, das unnachgiebig seinem Spiel den Takt vorgibt, und auch nicht für das Publikum, das in die Gedankenwelt Raskolnikows hineingezogen wird und den aus seinem Kopf herausquellenden Bildern schutz- und distanzlos ausgesetzt ist. ... Bert Zander gelingt mit seiner Formen übergreifenden Inszenierung etwas geradezu Unterhörtes. Er erfindet das Monodrama noch einmal neu aus dem Geiste des Bewusstseinsstroms. Alles, was sonst im Kopf des Protagonisten verborgen bleibt, nimmt Form an, bekommt Gesichter und wird somit sichtbar.
Bert Zander eröffnet dem Theater einen Raum, der ihm sonst verschlossen war. Plötzlich kann ein Schauspieler mit den Phantomen im Kopf seiner Figur agieren, kann das Innerste nach Außen kehren und in seinem Spiel doch ganz innerlich bleiben. Die Exaltationen gehören den anderen, dem Ensemble auf den Leinwänden, das ganz groß und theatralisch sein darf. Jenseits der Leinwände liegt die Bühne, die Bretter, die Raskolnikows Welt bedeuten. Ein schwarzer Kosmos, bevölkert von Gefallenen und Verlorenen; aber eben auch der einzige Kosmos, den die Menschen haben. Näher als dieses wahrhaft singuläre Kunstwerk kann eine Adaption von Dostojewskis Entwurf der Welt wie der Menschen kaum noch kommen.“